Regiekommentar
»Sommer. Blauester Himmel, die Berge in kleiner Ferne, Sonne, dann Nacht, wieder Sonne. Nacht. Sonne.
Ein Wochenende auf dem Land. Eine Tankstelle, eine Landstraße, Wiesen, Kühe, Insekten, die grünen Schatten der Gräser und Sträucher. Die Senkrechten der Bäume gegeneinander, wispernder geometrischer Raum zwischen ihnen. Grillen. Eine ganze Welt, um dem Mensch Ort zu sein. Ein Ort für das Glück. Und die Welt der Zwillinge, die sich nicht trennen können, die um ihre Trennung kämpfen. Je mehr sie kämpfen, um voneinander loszukommen, desto mehr zieht es sie in ihre gemeinsame Welt. Es gibt hier kein „Einer“. Es gibt hier nur „Zwei“. Für mich ein klassisches Drama: Wir kennen ihr Schicksal. Und sehen, wie es sich erfüllt. Und wie in all den griechischen Tragödien bringt alle Gegenwehr die beiden nur näher an das Ende, das das Schicksal ihnen vorsah.
„Die Menschen sind die Geschöpfe der Freiheit“ sagt Heidegger. Sind sie das? Und was genau ist hier mit Freiheit gemeint? Das Schicksal bis in seine Tiefe zu erfüllen (der Sartre-Weg) oder ihm zu entkommen? Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht unbedingt an Schicksal. Ich glaube an starke Geschichten.
Man muss sich für fast drei Stunden den hellsten Sommertag vorstellen, von gelegentlichem Gewitter unterbrochen, in der schönsten Postkartennatur der Voralpen, in genau der Landschaft, für die König Ludwig Neuschwanstein bauen ließ. Und Recht hat er gehabt! So viel Schönheit bedeutet Tragödie.«
Philip Gröning