Regiekommentar
»Als Fritjof Hohagen mir das Drehbuch zu ,Puppe‘ anbot, und ich es schließlich in den Händen hielt, war ich fasziniert. Es war dick und schwer und beschrieb zwei Welten, die mich schon immer fesseln konnten: die Wildnis Großstadt, in der es keinen Horizont, aber immer irgendeinen Weg oder Unterschlupf gibt; und die Weite der Berge, die in ihrer Klarheit etwas Unerbittliches und Unnahbares haben kann. Und zwischen diesen Weiten das Mädchen Anna. Sie klein und zerbrechlich zu zeigen, wäre die eine Option gewesen.
Wir haben uns an einem bestimmten Punkt dazu entschlossen, ihr von vornherein eine Kraft zu geben, die hoffen lässt. Marie Amsler hat ihre Geschichte aus einem authentischen Lebenszusammenhang entwickelt. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Lehrerin auf einem Hof in Frankreich, auf dem deutschsprachige Mädchen Zuflucht finden. Sie kennt die Leere, in der die Mädchen versinken, wenn sie aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen werden, die Aggressionen, die damit aufkommen, oder die verzweifelte Zuneigungssuche untereinander. Die Möglichkeit besteht immer, dass die Mädchen in diesem Mikrokosmos selber zur Gefahr für die anderen werden.
Die Therapeutin Geena ist das Zentrum der Geschichte. Sie holt die obdachlose Anna ins Leben zurück. Anna bekommt an ihr ein Lebensbeispiel, wohin man gelangt, wenn man Grenzen überschreitet. Grenzen als existent akzeptiert. Grenzen als inneres Wachstumspotential für ein eigenes Leben erkennt. Und Leben damit Wert erhält. Dieses Gefühl, Lebensgefühl, diese Momente, in denen man es spürt, die wollte ich für den Film haben. Den Puls, der in Anna schlägt, von Anfang an, der sie nicht zur Ruhe kommen lässt. Weder im Feld, noch in ihren Träumen. Der sie am Leben hält, und trotzdem quält mit zu scharfen Erinnerungen. Und der erst eine Ruhe findet, als es auch eine Richtung gibt. Als sie den kleinen Schritt macht, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen.«
Sebastian Kutzli