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Bis hierhin und wie weiter?

Deutschland 2023 / Dokumentarfilm / 91 Minuten / Regie: Felix Maria Bühler / ab 12 Jahren freigegeben

Regiekommentar

Impuls

Im Winter 2021 setze ich mich intensiv mit der Klimakrise auseinander. Die Fakten sind knallhart und niederschmetternd und lassen mich kurzzeitig an der Welt verzweifeln. In dieser Zeit stelle ich mir die Frage, was es mit jungen Menschen macht, die sich angesichts der Klimakrise machtlos fühlen und deren Forderungen trotz massenweiser Proteste von der Politik nicht gehört werden. Auf der Suche nach Antworten fahre ich nach Lützerath, wo ich eine Zeit lang zusammen mit anderen Aktivist*innen lebe. Eine Gruppe, die sich dort ebenfalls aufhält, interessiert mich besonders: sie kennen sich aus dem Hungerstreik und sprechen mit einer Ehrlichkeit und Direktheit über die Klimakrise, die neu für mich ist. Da ich ihre Gedanken nachempfinden kann, stellt sich schnell gegenseitiges Vertrauen ein, das mir ermöglicht, sie ein Jahr lang mit meiner Kamera zu begleiten. Die Verbindung zu meinen Protagonist*innen hilft mir, Intimität und Nähe vor der Kamera herzustellen. Gleichzeitig ist mir wichtig, nicht nur ihre Perspektive zu erzählen: so kommen auch Menschen, die gegensätzliche Meinungen vertreten, zu Wort. Immer wieder öffnet sich das Bild und gibt Raum zum Denken, damit die Zuschauenden eine eigene Haltung entwickeln können. Ich bin überzeugt, dass wir auch weiterhin Klimaaktivismus brauchen, der Altes aufrüttelt und damit Platz für Neues schafft. Klimaaktivismus muss stören, er muss unbequem sein und unseren Alltag unterbrechen, denn er ermöglicht uns, hinter die Fassade des ständigen „weiter so“ zu blicken. Erst wenn wir den Status Quo in Frage stellen, sind wir bereit, die Welt neu zu denken. Mit meinem Film will ich dafür einen Impuls setzen.

Motivation

Klimaaktivismus kennt viele Formen und Ausprägungen, obwohl er in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit Aktionen der Letzten Generation in Verbindung gebracht wird. Unser Film setzt diesem Narrativ etwas entgegen. Außer Lina gehören unsere Protagonist*innen keiner Bewegung an, sondern sind in unterschiedlichen Bereichen der Klimabewegung aktiv. Sie gehen mit Ende Gelände in Aktion oder verteidigen Lützerath gegen die Polizei. Während in Talk Shows zum hundertsten Mal die Frage wiederholt wird, ob „die Protestformen der Letzten Generation angemessen sind“, stellen sich unsere Protagonist*innen diese Frage längst nicht mehr. Sie möchten ihr Leben dem Klimaaktivismus widmen: „Nicht im Sinne davon, dass man stirbt, aber dass man bereit ist, dafür andere Sachen zu opfern.“ Ich möchte mit meinem Film den Zuschauenden die Möglichkeit bieten, sich emotional mit meinen Protagonist*innen zu verbinden. Nicht, in dem ich die Gruppe und ihre Aktionen glorifiziere — der Film bietet genug Momente, um eine eigene Haltung zu entwickeln — sondern um dem Narrativ der rechten Presse, wie der Bildzeitung, etwas entgegenzusetzen, die nicht umsonst von „Klimaklebern“ und „Klimachaoten“ spricht. Durch diese Beschreibung werden die Aktivist*innen entmenschlicht, sie werden zu etwas Lästigem, das man wie Ungeziefer entfernen darf. Es verwundert daher nicht, dass Autofahrer über Füße von Aktivist*innen fahren oder diese mit Reizgas attackieren.

Montage

In der Montage arbeiten Lena und ich bewusst mit Mitteln des Spielfilms. Wir nutzen an ausgewählten Stellen Musik und bauen eine Dramaturgie, die mit der Zerstörung Lützeraths ihren Höhepunkt erreicht. Auch die Konflikte, die innerhalb der Gruppe geführt werden, sind wesentlicher Bestandteil des Films. Der Film soll Menschen berühren, unabhängig ihrer politischen Einstellungen: wenn Lina zitternd auf der Straße klebt und von einem Autofahrer angeschrien wird, spüren wir ihre Angst. Wir sehen die Wut von Fuchs, die sich entlädt, als they mit anderen Aktivist*innen eine Polizeikette zurückdrängt. Wir fühlen die aufkommende Unsicherheit von Charly, die sich lieber in Sicherheit bringen möchte, als die Polizei näher rückt. Wir hören die Entschlossenheit von Taura, wenn sie die Gruppe fragt, wie weit sie bereit sind zu gehen. Und wir spüren die Enttäuschung von Guerrero, der — allen großen Ankündigungen zum Trotz – Lützerath kampflos verlässt.