Regiekommentar
»Vor ein paar Jahren organisierten meine Frau und ich eine Geburtstagsfeier für unseren damals 6-jährigen Sohn. Überzeugt, dass sein Glück vom Erfolg dieser Feier abhing, luden wir elf Kinder ein. Die Feier war für den Hinterhof unseres Berliner Wohnhauses geplant, aber ein heftiger Regen zwang uns alle in unser kleines Wohnzimmer. Die Spannungen zwischen uns Eltern wuchsen, während wir von einer Beinahe-Katastrophe in die nächste schlitterten. Nach der Feier stellten wir fest, dass unser Sohn immer noch mit einem Jungen in seinem Zimmer spielte, der nicht abgeholt worden war. Seine Eltern waren nicht erreichbar und wir wurden von Minute zu Minute nervöser. Von jetzt auf gleich überhäuften wir uns gegenseitig mit Anschuldigungen. Das Wohnzimmer war verwüstet, wir todmüde und ein fremder Junge saß in unserem Kinderzimmer. Als eine elegante Frau den Jungen schließlich zwei Stunden zu spät abholte, schien es für sie keine große Sache zu sein. Und vielleicht hatte sie Recht.
In dieser Nacht begann für mich ein langer Prozess, an dessen Ende der Film „Der Geburtstag“ steht. In diesem Prozess habe ich dem Ärger auf meinen Vater, den ich als Kind nicht formulieren konnte, und all meinen Ängsten und Zweifeln über meine eigene Rolle als Vater Ausdruck verliehen. Die Geschichte ist in drei Kapitel unterteilt und spielt weitgehend bei Nacht. Draußen Platzregen, Nebel zieht über die hochgeklappten Bürgersteige. Der Regen schimmert stimmungsvoll an der Zimmerwand, Schatten huschen wie in einem expressionistischen Film über Häuserwände. Das alles verleiht den Geschehnissen einen dezenten surrealen Anstrich. Der Zusammenklang aus Schwarz-Weiß-Ästhetik und Jazzmusik erzeugt eine Atmosphäre, bei der die Aktionen der Figuren als Metaphern zu verstehen sind. Ein Familiendrama als Film Noir erzählen, um das Innenleben des Protagonisten sichtbar zu machen: Einen kleinen, seltsamen Jungen nach Hause zu bringen wird zu einem Horrortrip, der eine tiefgreifende Veränderung in der Hauptfigur bewirkt. In verdichteten 24 Stunden erfährt der Antiheld, was Vatersein bedeutet. „Der Geburtstag" ist kein Alltagsdrama, sondern beginnt da, wo das Alltägliche aufhört.«
Carlos A. Morelli