Protagonisten
Der Plakatmaler – Sheikh Rehman
Das Atelier hinter der Leinwand des „Alfred Talkies“ ist seine Bühne. Hier regiert Sheikh Rehman wie ein Malerfürst aus einem anderen Jahrhundert. Mit freiem Oberkörper scheucht er seine Angestellten herum, treibt sie an, korrigiert und beschimpft sie, wenn sie die falschen Farben wählen. Dabei benutzt Rehman eine Sprache, die vom rauen Leben im Slum aber auch den supercoolen Helden der Hindi-Filme geprägt ist. Es gibt keine Situation, zu der Rehman nicht ein Zitat von Amitabh Bachchan oder Dilip Kumar einfallen würde, seinen Idolen.
Mit seiner großen Klappe überspielt Rehman das große Drama seines Lebens. Dass sein Vater ihm ein schweres Erbe hinterlassen hat. Während Rehman alles von seinem Vater gelernt hat, wollen seine Söhne keine Maler mehr werden. Sie haben begriffen, dass Handmalerei keine Zukunft hat und programmieren Software. »A big artist is someone who sells. But when you stop, you stop forever«, analysiert Rehman den Kunstmarkt. Dabei geht es Rehman nicht um Geld oder Ruhm. Er leidet unter der fehlenden Anerkennung durch die Söhne. »If I had been big, both my sons would stand by my side and do my work.« Jetzt soll auch noch das Kino verkauft werden. Rehman würde arbeitslos.
Doch Rehman bleibt keine Zeit für Trübsal. Es ist Donnerstagabend, das neue Banner muss fertig werden. Ganz im Stil eines alten Meisters setzt Rehman Lichter und Schatten. Dann signiert er sein Werk. Nach der letzten Vorstellung wird das alte Banner abgenommen, und das neue Banner an der Fassade des „Alfred Talkies“ hochgezogen. Rehmans große Show. Am nächsten Morgen wird das alte Banner mit brauner Farbe übermalt, und die Screenpainter beginnen wieder von vorn. Der Filmplakatmaler aus Mumbai als moderner Sisyphus. »This is life's film. God keeps changing the reels.«
Die Kinobesitzerin – Najma Loynmoon
Najma Loynmoon, die Kinobesitzerin, wurde auf ganz besondere Weise durch das Hindi-Kino geprägt. Ihr Kinderzimmer lag direkt über der Leinwand, und nachts wiegten die süßen Filmsongs sie in den Schlaf. »The Hindi movies were like my mother«, sagt Najma heute. Die Heldinnen waren ihre Vorbilder in ihrem Kampf um weibliche Unabhängigkeit. Die Filme gaben ihr die Kraft, mit Schicksalsschlägen umzugehen. Wie, als ihre Tochter bei einem Asthma Anfall in ihren Armen starb, und Najma nur deshalb nicht zusammenbrach, weil sie sich vorstellte, es wäre eine Szene aus einem Film.
Najma ist im „Alfred Talkies“ groß geworden, das ihr Großvater gegründet hat. Trotzdem sollte sie es nicht erben. Sie schien unqualifiziert, einfach, weil sie eine Frau war. Doch in Ermangelung eines männlichen Nachfolgers, blieb Najmas Großvater am Ende nichts anderes übrig. Aber er übergab Najma die Schlüssel zu seinem Reich mit einem Fluch auf dem Sterbebett: »You will sink my boat!«
Tatsächlich hat das „Alfred Talkies“ schon bessere Tage gesehen. Najma ist gezwungen, in ihrem Kino Filme zu zeigen, die sie sich selbst niemals anschauen würde. Es gibt Kaufangebote von Inverstoren, die nur darauf warten, den alten Filmpalast abzureißen und hier ein Apartmenthaus hochzuziehen. Najma könnte sich zur Ruhe setzen. Stattdessen erneuert sie die Toiletten, während es in den Kinos der Nachbarschaft gar keine Toiletten gibt. Warum tut sie das?
Najma fühlt sich ihren Mitarbeitern verpflichtet, von denen viele ein Leben lang für sie arbeiten. Und sie hängt an dem alten Gebäude, das voller Geschichten steckt. Aber vielleicht spielt auch eine gehörige Portion Trotz mit, dass Najma nicht aufgibt: Sie will ihrem Großvater zeigen, dass er sich geirrt hat.
Der Kinomanager – Huzefa Bootwala
Seit 35 Jahren sorgt Huzefa Bootwala dafür, dass die 938 Plätze des „Alfred Talkies“ gefüllt sind bei vier Shows täglich. Dabei wollte der korrekte Manager eigentlich Lehrer werden. Und das Oberlehrerhafte bricht immer noch durch, wenn der Manager jeden Donnerstag den Entwurf für das neue Banner korrigiert. Ein ewiger Konflikt, der nie gelöst werden wird. Für den Manager hört die künstlerische Freiheit auf, wo das Geschäft beginnt.
Das Kinogeschäft ist allerdings schwieriger geworden. Kopien der aktuellen Bollywood Blockbuster sind zu teuer. Von den Actionfilmen aus den 1990ern, die das raue Publikum liebt, gibt es keine neuen Kopien. »Kein vernünftiger Geschäftsmann würde dieses Geschäft noch betreiben, bei dem wenigen, was wir verdienen«, sagt der Manager. „Mein Sohn hat einen kleinen Handy-Laden. Der fährt ein teureres Auto als Najma, die Kinobesitzerin.“ Trotzdem wäre es für Huzefa undenkbar, das Kino im Stich zu lassen. Er ist Teil von Najmas Familie geworden. Selbst in den letzten Jahren, als das Geschäft immer schlechter lief, lieh Najma ihm Geld für die Hochzeit seiner Tochter. »Wir machen das hier, weil wir müssen. Wir haben keine andere Wahl.« Das „Alfred Talkies“ ist für Huzefa mehr als ein Job, es ist sein Leben.