Regiekommentar
»„Verlorene“ ist trotz seiner starken regionalen Verortung eine universelle Geschichte. Sie stellt die Frage nach dem Spannungsverhältnis von Missbrauch, Macht und der Sehnsucht nach Liebe. Mich interessieren Figuren, die an ihrer Welt festhalten. Menschen, die ihre Beziehungen aufrechterhalten wollen, auch um den Preis der Unterdrückung. Der paralytische Zustand des Hoffens, des Glaubens an ein gerechtes Ende, ist eine Demut, der ich trotz aller Zweifel nur meine wahre Hochachtung aussprechen kann.
Im Kern der Erzählung steht die Beziehung zweier Schwestern an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie sind am Ende stärker als die Erwachsenen selbst. Ich erzähle von einem Milieu, in dem ich selbst aufgewachsen bin – der badischen Provinz, die Mitte der Bürgerlichkeit, unter der es brodelt. Es ist eine Erzählung von Heimat: der Abwesenheit des Unbekannten oder dem Wunsch danach. Ein fragiles Gleichgewicht, in dem Störungen hart bestraft werden. Vielleicht kann man „Verlorene“ als einen modernen Anti-Heimat-Film bezeichnen.
Meine Geschichte ist inspiriert von Filmen, die wissen, an welchem Ort sie spielen. Filme mit einem dokumentarischen Ansatz, wie dem der Dardenne-Brüder. Filme von Jon Jost, Valeska Griesebach, Götz Spielmann u.a. Sie handeln von dem, was unter der Oberfläche der Normalität liegt.
„Verlorene“ ist eine Geschichte über die Kraft der Liebe im Angesicht des Verrats. Den Umgang mit einer Tat, für die es keine Worte gibt. Das Festhalten an der eigenen Wahrheit gegen jede Vernunft. Der Versuch des Aufgebens der Lüge und die Unmöglichkeit dessen. Dem Wunsch nach Gerechtigkeit. Ein süddeutsches Siebenhundertseelen-Dorf. Eine Familie zerbricht. Wenn man genau hinsieht, könnte es überall sein.«
Felix Hassenfratz